St. Galler Tagblatt vom 17. August 2015

Tempo, Rhythmus und Perfektion

Die optisch und akustisch perfekt inszenierte Show «Pianopopuläär» der beiden Brüder Chris und Mike Keller aus dem Zürcher Oberland kam beim Schlosskonzerte-Publikum gut an und erntete Standing Ovations. (Bild: Max Pflüger)

HEERBRUGG. Mike brachten, vor allem im zweiten Teil des Schlosskonzertes vom Samstag, Stimmung in die Schlossremise. Klavierjazz, Boogie, Swing und Blues vom Feinsten präsentierten die beiden Brüder in einer bisweilen turbulent inszenierten Show.

Mit dem Pianisten-Duo, den Brüdern Chris und Mike Keller aus dem Zürcher Oberland, und ihrer Konzert-Show «Pianopopuläär» begeisterten die zehnten Heerbrugger Schlosskonzerte 2015 ihr Publikum am Samstagabend. In der gut besetzten Schlossremise liessen sich die Zuhörer vom temperamentvollen Sound der beiden virtuosen Entertainer mitreissen und genossen den unterhaltsamen Abend.

Unter den Gästen waren auch Mitarbeiter und Kunden von verschiedenen Institutionen und Firmen. Eingeladen hatten zum Beispiel die Rheintaler Kulturstiftung, die Gemeindeverwaltungen von Au und Widnau oder die CDS Bausoftware-Bauingenieure- Netcom AG, Heerbrugg. Inhaber Remo Sieber kam mit seinen Freunden und Mitarbeitern nicht zum ersten Mal. Als treuer Gast der Schlosskonzerte erhielt er am Samstagabend von Aldo Zäch das traditionelle Glücks-Elefäntchen verliehen.

Kultur ist Freiraum

Immer wieder kommt Martin Pozivil mit seinen scharfsinnigen, bisweilen gar gekonnt kabarettistischen Einführungen an die Schlosskonzerte, und er kommt gut an. Ausgangspunkt seiner Betrachtungen im Vorfeld der Pianotastenakrobatik vom Samstagskonzert war eine umständlich umfangreiche Gebrauchsanweisung, die in der sinnigen Anweisungen gipfelte: «Vor dem Versorgen des Gerätes den Netzstecker ziehen.» Was in den Anweisungen so kompliziert erschien, erwies sich schliesslich als einfacher Eierkocher. Martin Pozivil zeichnete damit das Bild unseres überreglementierten Alltags und schlug dann den Bogen zur Kultur, die als Freiraum für den normierten Menschen immer wichtiger wird: Die Schlosskonzerte als Oase von Stimmungen, Gedankenfreiheit und Emotionalität in unserer von Vorschriften geprägten Zeit.

Mit flinken Fingern

Mit flinken Fingern tanzten dann die beiden Pianisten Chris und Mike Keller über die Klaviatur der beiden Flügel und liessen auf die Zuhörer einen Sturm von Melodien und Rhythmen, von Boogie, Swing und Blues niedergehen. Bisweilen ergänzten Felix Zindel, Schlagzeug, Marc Portmann, Gitarre, und Lisa Scannell, Bass, den temperamentvollen Piano-Sound der beiden Brüder. Chris umschrieb diese Musik treffend mit einer Anekdote. Nach einem Konzert habe sich eine 85-jährige Dame bei ihm bedankt: Das sei die Musik ihrer Jugend, aus der Zeit als sie noch sei «go ummemännere».

Die Post ging ab

Der Auftakt zum zweiten Teil des Abends machte die bereits im ersten Teil erahnte Aufgabenteilung zwischen den beiden Brüdern deutlich: Chris präsentierte sich in seinem Solo als Leadsänger von Chris & Mike, Mike schloss daran ein Pianosolo an, das das Publikum echt in Stimmung brachte: Eine fetzig-jazzige Klangwelt, die die Schlossremise zum Jazzschuppen werden liess und auch den Heerbrugger Jazztagen zur Ehre gereicht hätte.
Das war das Signal für das Publikum, das im zweiten Teil mit Mitklatschen und Mitmachen und auch mit Applaus auf offener Szene nicht geizte. Die Stimmung stieg von Stück zu Stück, die Post ging ab. Aber auch die Musiker liessen sich nicht lumpen und gaben alles. Da wurden die Pianos während turbulenten Fingerläufen verschoben, und das virtuose und turbulente Spiel der beiden geriet beinahe zur Akrobatikschau.
Die Musiker verabschiedeten sich schliesslich mit dem speziellen «Dankä»-Lied: «Dankä, dass Ihr cho sind a öises Konzert, Euri Begeischterig isch öis viel Wert.» Und das Publikum verdankte ihren mitreissenden Auftritt mit begeisterten Standing Ovations und einer Polonaise zu den letzten Akkorden des Abends.