Sarganserländer vom 22. August 2022

20 Finger, 176 Tasten und ganz grosses Kino | Sarganserländer vom 22.8.22

Die beiden Pianovirtuosen «Chris & Mike» gehören beim Jazzfestival Sargans bereits zum Inventar. Am Freitag und Samstag haben sie im Kultur- und Kongress- haus Verrucano in Mels in diesem Rahmen ein Konzert der Superlative gegeben.

Bericht von Michael Kohler, Sarganserländer vom 22.8.22

Satte 2000 Konzerte haben die Brüder Mike und Chris Keller alias «Chris & Mike» mit ihren beiden mit Strasssteinen und LED-Stripes versehenen Roland-Flügeln in den vergangenen 30 Jahren schon gegeben. 15 davon im Zu- sammenhang mit dem Jazzkeller oder Jazzfestival Sargans. Und die jüngsten zwei im selben Rahmen im Kultur- und Kongresshaus Verrucano in Mels – das erste am Freitag vor geladenen Gästen der St.Galler Kantonalbank SGKB, drei Lions Clubs und der Espros Photonics Corporation, das zweite am Samstag mit dem Melser Dorffest vor den Toren des Konzertlokals.


Doch noch ein wenig Festzelt

Ganz alleine kamen die beiden Inner- schweizer nicht: Mit im Gepäck hatten sie nebst ihren beiden Flügeln auch Schlagzeug, Gitarre und E-Bass sowie deren Spieler Philipp Schmid, Marc Portmann und Danny Hertach. Die Fünf-Mann-Formation sorgte im Hand- umdrehen dafür, dass aus dem anfäng- lich etwas steifen Konzertambiente bald eine lockere Partystimmung er- wuchs – Klatschen, Singen, Tanzen und eine Polonaise inklusive. In diesem Sin- ne erinnerten gewisse Züge des Kon- zerts an frühere Auftritte der beiden im Festzelt des Städtlis Sargans.

Allerdings nur gewisse Züge und auch nur in diesem Sinne. Denn mehr als die Parallelen zu früher fielen dem Publikum wohl eher die grossen Unter- schiede und Vorteile auf, die der Lö- wensaal im «Verrucano» für ein Kon- zert dieses Kalibers bereithält. Dass auch die Künstler ihrer Begeisterung über die Akustik, Optik und Technik und die tadellose Führung des Kon- zertlokals mehrfach Ausdruck verlie- hen, kam einem Ritterschlag für «Ver- rucano»-Geschäftsführerin Eva Maron und Eventbetreuer Leo Lutz gleich.


Zwei Brüder, viele Talente

Musikalisch erspielten sich die Klavier- brüder und ihre Band in gewohnter Manier und Leichtigkeit das Prädikat «Ohnegleichen». Ob Ballade, Blues oder Rock ’n’ Roll: Was Chris und Mike mit ihren Händen auf den je 88 schwar- zen und weissen Tasten ihrer Flügel zu zaubern vermochten, faszinierte ab dem ersten Anschlag. Sie liessen ihre Finger tanzen, als wenn sie Autoren wären und blind auf die Tastatur ihres Computers hauen würden, um innert Minuten einen Roman aufs Papier zu bringen – einen Bestseller. Während sich Chris zudem nebst dem Piano auf den Gesang konzentrierte, gab Mike auch einen virtuosen Mundharmoni- kaspieler ab.

Generell war Chris der Interaktive, der Ansager, der mit seiner Wortge- wandtheit für viele Lacher im Publi- kum sorgte. Mike hielt sich zurück und konzentrierte sich auf die Musik, er liess die Tasten im Hintergrund erbarmungslos glühen. Wie Chris gleich ein- gangs erklärte, solle das Programm mit dem kurzen und prägnanten Namen «Smile» den Zuhörerinnen und Zuhö- rer ein Lächeln ins Gesicht zaubern. «Das können wir alle gut im Alltag ge- brauchen, vor allem nach den letzten beiden Jahren.» Wer 90 Sekunden am Tag lache, lebe gesünder, zitierte Chris eine alte Lebensweisheit. Diesen Zeit- raum hat wohl jeder Konzertgast lo- cker überschritten.

Für Ed, den Sir und die Mama

Im Repertoire finden sich nicht nur eigene Songs, sondern auch Covernum- mern wie etwa Ed Sheerans «Perfect», von Chris alleine interpretiert, oder ein Medley aus vier Hits des grossen Sir El- ton John mit «Take me to the Pilot», «Honky Cat», «The Bitch is back» und «Saturday Night’s alright». Besonders emotional präsentierten die Pianisten das Lied «Hold my hand for one last ti- me», eine Eigenkomposition, die von einem der letzten Kapitel einer Le- bensgeschichte handle und einer ih- nen sehr wichtigen Person gewidmet sei: ihrer Mutter.

Als «Chris & Mike» nach zwei Stun- den die erste Zugabe ansagten, waren die Sitzplätze im Saal leer, die Tanzflä- che unmittelbar vor der Bühne dafür aber zum Bersten voll. Mit dem Klassi- ker «Rockin’ all over the World» verab- schiedeten sich die beiden Brüder schliesslich für dieses Jahr aus dem Sarganserland.